Die ladinische Sprache

Die ladinische Sprache (auch Ladin oder Dolomitenladinisch genannt) gehört zu den romanischen Sprachen und wird von ca. 30.000 Menschen im Dolomitengebiet gesprochen. Es handelt sich um fünf um das Sellamassiv gelegene Täler: das Gadertal (mit den Idiomen badiot, ladin de mesa val, marô), Gröden (gherdëna), das Fassatal (cazet, brach, moenat), Buchenstein (fodom) und das Ampezzo (ampezan).

Ladin ist eine der sogenannten rätoromanischen Sprachen, zusammen mit dem Graubündnerischen, dem grijun, das von ca. 40.000 Menschen in den schweizer Alpen gesprochen wird, und dem furlan, das von ca. 430.000 Friulanern, den Bewohnern der nordöstlichen Region Italiens Friaul, gesprochen wird. Wie alle romanischen Sprachen, stammt das Ladin vom Vulgärlatein (latinus > ladin). Im Falle des Rätoromanischen ist dies die Sprache, welche um das Ende des Römischen Reiches im Alpenraum gebraucht wurde und welche in ihrer Struktur und Wortschatz von den nicht romanischen Sprachen Keltisch und R(h)ätisch beeinflusst worden war. Nur wenige Wörter sind effektiv in die neue Sprache aufgenommen worden, wobei es solche Bezeichnungen sind, für die das Latein keinen treffenden Terminus besaß (z.B. barantl - Zirbelkiefer, dascia – Äste der Kieferpflanzen, roa - Erdrutsch, crëp - Berg, aisciöda – Frühling, nida - Buttermilch, liösa - Schlitten, dlasena - Blaubeere); zusätzlich bezeugen manche Ortsnamen ihren Ursprung in den genannten vorlateinischen Sprachen (z.B. Börz, Mareo, Rina).

Prähistorisches Zeitalter

Leider sind keine schriftlichen Dokumente überliefert worden, die uns Auskunft über das Altertum im Dolomitengebiet geben könnten. Die einzigen Informationen stammen aus der Archäologie und beweisen, dass dieser Raum bereits im Mesolithikum bewohnt war, wenn auch nicht ganzjährig, sondern nur saisonal: es wurden temporäre Unterkünfte gefunden, die den Jägern als Absteige dienten, wenn sie sich in höhere Lagen zum Jagen begaben. Zu dieser Art von Siedlungen gehören Plan de Frea und Mondeval de Sora. Die ersten standhaften Siedlungen stammen aus der mittleren Bronzezeit (Sotćiastel) und dann aus der Eisenzeit (Grabungen um St. Ulrich). Für die Siedlung Sotćiastel in Abtei nimmt man an, dass sie ab Ende des 18. Jahrhunderts v. Chr. von insgesamt 240 bis 300 Menschen bewohnt worden ist. 

Wir wissen wenig über die Menschen, die vor dem christlichen Zeitalter in den Alpen lebten. Im letzten Abschnitt der Eisenzeit (500 bis 15 v. Chr.) gehörte zumindest ein Teil des heutigen ladinischen Gebietes der archäologischen Kulturgruppe Fritzens-Sanzeno an, wobei diese wahrscheinlich die Rhäter waren, welche in jenem Gebiet sesshaft waren, das zum späteren Tirol wurde. Von den Rätern ist uns wenig überliefert worden, man weiß aber, dass sie anhand eines dem Etruskischen sehr ähnlichen Alphabetes schrieben, doch die Klassifizierung ihrer Sprache ist bis heute umstritten.

Die Romanisierung

Die Römer hatten bereits vor 15 v. Chr. Feldzüge gegen die Bevölkerung, die in den Alpen angesiedelt waren, unternommen, doch erst in jenem Jahr konnten sie einen endgültigen Sieg auf die Räter und Vindeliker in der Ebene, wo der Eisack in die Etsch mündet, davontragen. Ab diesem Zeitpunkt wurde die römische Anwesenheit stetig prägender: so wurden wichtige Straßen gebaut, das römische Recht, neue religiöse Kulte und, vor allem, die lateinische Sprache übernommen, und ab dem 4. Jahrhundert n. Chr. auch die Christliche Religion.

Zu diesem Zeitpunkt erreichte das Ladinisch, oder Rätoromanisch, die größte geographische Ausdehnung seit seinem Bestehen, wobei es einen Großteil der Alpen deckte: vom Bodensee im Norden, dem Sankt Gotthard im Westen, bis zur Adriaregion Istrien im Südosten und der Donau im Nordosten. Im 5. Jh. fing eine instabile Periode an. Verschiedene Völker zogen aus Norden und Osten über das Gebiet und kamen bis nach Rom, mit der Folge, dass das westliche Römerreich zusammenbrach. Durch die nach dem Ende des Römischen Reiches ausgelösten Migrationen gelangten germanische Sprachen vom Norden und slawische vom Osten in die Alpen und verdrängten langsam das Vulgärlatein, welches nur in einigen Sprachinseln, vorwiegend entlegeneren Gebirgsgebieten, erhalten blieb, bis heute. Ein Großteil der einst rätoromanischen Alpen war bereits vor dem Jahr 1.000 vollständig germanisiert und andere Teile wurden in den folgenden Jahrhunderten verdeutscht oder italianisiert.

 

Mittelalter

Nach dem Untergang des weströmischen Reiches wurden die Haupttäler um die heutigen ladinischen Bezirke von den Langobarden eingenommen, später von den Bajuwaren; um das Ende des 8. Jahrhunderts eroberte Karl der Große das ganze Gebiet und gliederte es in das Frankenreich ein. Während dieses Zeitalters wurden das Feudalsystem und eine neue Aufspaltung in Grafschaften eingeführt. Im Jahr 1027 wurde der Bischof von Brixen vom Kaiser zum Herren über die Bezirke Inn und Eisack ernannt. 1091 wurde ihm zusätzlich das Pustertal mitsamt dem Gadertal überreicht. Der Bischof delegierte gewisse Verwaltungsrechte und Bezirke noblen und einflussreichen Familien, wobei es nicht selten zu Streitigkeiten kam. Das Gadertal war unter zwei Herrschaften aufgeteilt: die linke Talseite gehörte zur Signoria von Tor und somit dem Brixner Bischof, die rechte Seite (auch Mareo) gehörte ebenfalls dem Bischof, wurde aber von den Benediktinerinnen der Sonnenburg verwaltet (die Sonnenburg hieß Ćiastel Badia und aus diesem Grund hieß man auch das ganze Tal Val Badia). 1363 wurde ganz Tirol (und somit auch die Fürstentümer Brixen und Trient) dem Habsburgerreich zu gegliedert. 1511 wurde auch das Ampezzo von tiroler Truppen besiegt und ging zu Österreich über, wie die übrigen ladinischen Täler. Diese Lage änderte sich dann erst mit Napoleon.

 

Napoleons Zeit

Die napoleonischen Kriege trafen auch ladinische Gebiete. 1806 kam Tirol zu Bayern und 1809 nahm die ladinische Bevölkerung an Andreas Hofers Aufstand teil, um Tirol zu befreien. 1810 wurden Ampezzo, Col, Buchenstein und das Fassatal Napoleons Italienreich zugeordnet und 1813, nachdem alle Kämpfe in diesen Gebieten ausgetragen worden waren, kamen sie wieder zu Österreich, bis zum ersten Weltkrieg. 

 

Die zwei Weltkriege und der Faschismus

Der erste Weltkrieg war für die Ladiner ein immenses Übel. Die Dolomitenfront verlief mitten durch die ladinischen Täler. Mehr als 1.050 Ladiner fielen während des Konfliktes, mehrere Dörfer, vor allem in Buchenstein, wurden fast gänzlich vernichtet. Auch nach dem Krieg gingen die ungünstigen Umstände weiter, denn Südtirol, und also auch die ladinischen Gebiete, wurde italienisches Staatsgebiet. 1922 gelangte die Faschistische Partei zur Macht, welche bald anfing, eine Politik der Zwangsitalianisierung in die Tat umzusetzen. Außerdem traf die faschistische Regierung die Entscheidung, die ladinischsprachige Bevölkerung drei unterschiedlichen Provinzen zuzuteilen: Gadertal und Gröden gerieten zur Provinz Bozen, Buchenstein und Ampezzo zu Belluno und Fassa zu Trient. In der Folgezeit gerieten die Ladiner zwischen zwei Instanzen unter Druck. Auf der einen Seite war der Faschismus, auf der anderen der Nazismus; diese entwarfen eine Strategie zur Lösung der Minderheitenprobleme (Ladiner und südtirloler deutschsprachige Bevölkerung), welche unter dem Namen Option (1939) bekannt wurde. Der nicht italienische Teil Südtirols wurde aufgefordert, entweder ins deutsche Reich zu ziehen, und somit seine Heimat zu verlassen, oder die Italianisierung Südtirols zu akzeptieren und auszuüben. Die Umsetzung der Optionsschübe wurde dann vom Ausbruch des Zweiten Weltkrieges eingeschränkt und am 8. September, mit der Gründung der Operationszone Alpenvorland (alle drei genannten Provinzen wurden von Hitlers Deutschland verwaltet), komplett gestoppt. Nach der Kapitulation kamen diese Gebiete wieder unter italienscher Herrschaft.

 

Nachkriegszeit

1946 versammelten sich am Sellajoch ca. 3.000 Ladiner, um gegen die Aufspaltung in die drei Provinzen zu protestieren, welche von der neuen italienischen Regierung aus der faschistischen Einordnung übernommen worden war. Aber die Ansprüche der Ladiner wurden nicht zur Kenntnis genommen. Ein kleiner Schritt in Richtung Minderheitenrechte wurde 1948 mit der ersten Fassung eines Autonomiestatutes der Provinzen Bozen-Trient gemacht. Aber erst mit dem zweiten Autonomiestatut des Jahres 1972 findet man eine feste Basis für die offizielle Anerkennung der Ladiner, für den Unterricht der ladinischen Sprache in der Schule, für das Recht auf ladinische Toponomastik und auf Medien in der Muttersprache. Mit der Zeit wurden diese Minderheitenrechte langsam ausgebaut, aber leider nur für die Ladiner in den Provinzen Bozen und Trient: Ampezzo, Buchenstein und Col konnten bislang kaum solche Errungenschaften anstreben.

 

Ladinische Kultur

In der Zeit zwischen dem 19. Und dem 20. Jahrhundert beschäftigte sich eine Gruppe von Wissenschaftlern mit der ladinischen Sprache und deren Geschichte und schuf so eine wichtige kulturelle Basis, auf welche spätere Erkenntnisse aufgebaut werden konnten. Zu den Pionieren zählen Micurà de Rü, der 1833 die erste ladinische Grammatik aufschrieb („Versuch einer Deütsch-Ladinischen Sprachlehre“); es folgten andere Autoren, Wissenschaftler und Historiker wie Jan Batista Alton (1845-1900), Angelo Trebo (1862-1888), Hugo de Rossi (1875-1940), Vijo Vittur (1882-1942). 1905 wurde in Innsbruck das Bündnis Union Ladina geschlossen, eine interladinische Union, welche sich zum Ziel setzte, die ladinische Bevölkerung bezüglich der Wertschätzung ihrer Sprache und Kultur zu sensibilisieren. In diesen Jahren entstanden auch die ersten ladinischen Zeitungen und Chroniken. 1918 schlossen sich die ladinischen Gemeinden den deutschsprachigen tiroler Gemeinden an, deren Schicksal nach dem Ersten Weltkrieg ziemlich ähnlich war. 1920 trafen sich Vertreter aller fünf ladinischen Täler, um ein Recht auf Selbstbestimmung und die Anerkennung als ethnische Gruppe zu fordern. Im Jahre 1946 trafen sich die Ladiner am Sellajoch, um gegen die Aufspaltung auf drei Provinzen zu protestieren. Während der Zeit des Friedens und des ökonomischen Aufschwungs nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum heutigen Tag hat man das ladinische Kulturleben ständig und mit Leidenschaft ausgeweitet: es entstanden die ladinischen Institute und Museen (Istitut ladin "Micurà de Rü" und "Majon di Fascegn", Museum Ladin Ćiastel de Tor, Museo Ladin de Fascia, Intendënza Ladina und andere); ladinische Zeitungen wurden gedruckt (vor allem die Usc di Ladins, aber auch andere, deren Ausgabe aber kurzlebiger war); Sendungen im Radio und im Fernseher wurden und werden ausgestrahlt (zum Beispiel Radio Gherdëina, Trail, und andere); kulturelle Vereine verbreiten ladinisches Kulturgut durch fruchtbare Publikationen und Veranstaltungen (Union Generela di Ladins dla Dolomites mit ihren Unterteilungen, z.B. EPL – Bund der ladinischen Künstler, u.s.w.).

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